Hochkonzentriert schneide ich das Bild aus dem Umschlag. Hier darf kein Schnitt zu tief gehen, was weg ist, ist weg. Auch den Klappentext von der Rückseite schneide ich vorsichtig in einem Rechteck aus. Dann schneide ich von der Folie genau so viel ab, wie ich brauche, um das Buch damit einzubinden. Jetzt kommt der schwierigste Teil. Ich lege das Buch vor mich hin, mit dem Rücken zu mir. Das ausgeschnittene Coverbild liegt mittig platziert darauf. Mit der Folie beginne ich jetzt ausgehend von der vorderen Kante das Bild auf das Buch zu kleben. Immer nur Zentimeter für Zentimeter, und sofort ganz fest in meine Richtung streichen. Auf keinen Fall darf der Einband Blasen werfen, er muss sitzen, wie ein Dirndl. Da kriegt man ja auch keine Luft drin.
Rechts von mir liegt noch ein Stapel neuer Hardcover-Ausgaben mit unversehrtem Buchumschlag, links von mir ein kleinerer Stapel bereits eingebundener Bücher. Ich habe noch viel zu tun an diesem Nachmittag im Paradies. Hier reiht sich Buch an Buch in den Regalen an den Wänden. Meine Freundin, ihre Mutter und ich bereiten die Neuzugänge vor, damit sie bald von den Lesern verschlungen werden können. Zweimal die Woche hat das Paradies geöffnet, Sonntags nach der Kirche und am Dienstag nachmittag einfach so. Dann kann ich hier nach neuen Büchern stöbern. Wobei stöbern irgendwann in dieser kleinen Bücherei relativ ist. Die Jugendbücher habe ich alle ausgelesen, ich versuche mich jetzt an der Literatur für Erwachsene, die ich mal mehr, mal weniger verstehe, aber ich komme mir sehr erwachsen dabei vor.
Meine paar Bilderbücher aus der Kleinkind-Zeit konnte ich rasch auswendig, auf manche Besucher wirkte es, als könnte ich lesen. Als Schulkind bekomme ich endlich Zutritt zu diesem Paradies hier und für Lesestoff ist gesorgt. Werde ich nach meinem Berufswunsch gefragt, sage ich immer „Schriftsteller“. Lesen von Büchern ist ja leider kein Beruf, also muss ich selber welche schreiben. Ich weiß noch nicht, dass es später einmal Buchblogger geben wird.
Das Schreiben beschränkt sich vorerst auch auf ein paar wirre Fantasy-Stories und dann kommt das Leben dazwischen. Ein Studium, das so gar nichts mit Literatur zu tun hat, und um solche zu kaufen, habe ich wieder kein Geld, zum Lesen läßt mir mein Nebenjob sowieso keine Zeit. Danach folgen Familie und Karriere, bis letztere einen Knick bekommt, verbunden mit gesundheitlichen Problemen. Und ich finde, es ist an der Zeit, endlich meinen Jugendtraum zu realisieren. Ich werde Schriftstellerin.
Ob und wann man das ist, hängt ja schließlich von der Definition ab, von den Maßstäben, die man an sich selbst legt. Wann ist man Autorin? Wenn man ein Buch geschrieben hat? Wenn man einen Verlag dafür gefunden hat? Wenn man eines im Selfpublishing veröffentlich hat – gilt das dann auch? Oder ist man dann kein richtiger Autor? Gibt es auch falsche Autoren? Und sind selbst veröffentlichte Bücher dann falsche Bücher? Werden Selfpublishing-Bücher, die sich gut verkaufen dadurch dann plötzlich von falschen zu richtigen Büchern? Fragen über Fragen, die ich mir gar nicht gestellt habe, als ich anfing zu schreiben. Ich schrieb ja erst einmal nur für mich. Bis eine Freundin das gelesen hat und sagte „Dein Buch muss in die Welt“.

Tja, und da ist es jetzt. Oder zumindest beinahe. Ich habe den Probedruck bekommen von meinem falschen Buch, das vielleicht ein richtiges wird, wenn es meinen Leserinnen gefällt. Und jetzt bin ich wieder beim Dirndl. Oder zumindest beinahe. Obwohl ich mittlerweile selbst viele ebooks lese, ist meine Liebe zum gedruckten Buch ungebrochen. So ein Werk anzufassen hat immer noch den gleichen Zauber wie damals im Paradies. Und deswegen wird mein falsches-aber-irgendwann-vielleicht-richtiges-Buch auch als Print-Ausgabe erscheinen. Für mich selbst, damit ich es anfassen kann, über die glatte, aber doch samtig weiche Oberfläche streichen, darin blättern, es auf- und zuklappen, schnell von der Seite 5 auf die Seite 295 blättern und vielleicht sogar ein Eselsohr in eine Seite biegen oder mit einem Bleistift etwas an den Rand schreiben.
Natürlich ist es kein Hardcover wie damals im Paradies und wenn ich das Coverbild aus dem Taschenbuch schneide, prangt dort einfach nur ein hässliches Loch. Einbinden könnte ich es natürlich trotzdem und wieder darauf achten, dass die Folie sich wie ein Dirndl an den Umschlag schmiegt.
Logisch betrachtet macht so ein Print-Buch für beide Seiten wenig Sinn, für die Leserin ist es teurer, für mich ist die Marge kleiner. Aber logisch betrachtet hätte ich erst gar nicht zu Schreiben beginnen sollen, sondern meine Zeit, meine Energie und mein Herzblut in die Wiederankurbelung meiner Karriere stecken, anstatt ein falsches Buch zu schreiben. Finanziell betrachtet sowieso. Denn es müssen sich erst genügend Leserinnen finden, um die Kosten für das wunderbare Cover und den schönen Buchsatz von coverboutique.de zu decken. Und das liebevolle Lektorat von buchfein.at Aber das ist es mir wert. Ganz entgegen meine sonstigen Gewohnheiten habe ich in den letzten Jahren kaum Geld für Sport oder Reisen ausgegeben. So rechne ich mir mein Buch schön. Das Abenteuer, das ich früher auf den Bergen suchte, halte ich jetzt in meiner Hand. Und ich bin genau so stolz und glücklich, wie wenn ich einen Gipfel bezwungen habe. Auch wenn es (vorerst) nur ein falsches Buch ist.
Aber ihr könnt aus dem falschen Buch ein richtiges machen. Meine persönliche Definition dafür ist nicht monetärer Natur und auch nicht, ob es einem Verlag gefallen hat. Wenn ich meine Leserinnen damit berührt habe, wenn ich jemandem, der selbst in einer Trennung steckt, Mut machen kann oder sie sogar zum Lachen bringen, dann ist Trennung al dente ein richtiges Buch.
Das Buch erscheint im Juli!