Affäre entdeckt – Ehe am Ende?

Der erste Sturm hat sich gelegt. Du hast deine Wut entweichen lassen oder sie hinunter geschluckt, je nach deiner Persönlichkeit und den Umständen, in denen du lebst und in denen du die Affäre deines Partners entdeckt hast. Vielleicht haben dich dabei ein paar der Gefühle begleitet, die ich in meinem letzten Post zu dem Thema beschrieben habe: https://julia-landers.com/affaere-entdeckt-was-jetzt/ 

Nach der Wut kommt vielleicht das Leugnen, das Nicht-Wahrhaben-Wollen, das Kopf-in-den-Sand stecken. Vielleicht stimmt es ja gar nicht. Vielleicht gibt es eine ganz harmlose Erklärung. Vielleicht wache ich aus diesem Alptraum wieder auf und alles ist wieder gut. Vielleicht…vielleicht…vielleicht.

Langsam aber sickert die Erkenntnis durch den Sand, in den du deinen Kopf gesteckt hast. Hartnäckig versucht sie, zu dir durchzudringen. Dich mit den Tatsachen zu konfrontieren. Schonungslos. Du spürst, wie sich das Geschehen langsam ausbreitet vom Bauch, in den die Wut hinein geschossen ist, über die Brust, wo ein zentnerschwerer Stein auf deinem Herzen die Traurigkeit beschwert, immer weiter nach oben, bis es am Kopf ankommt. Du spürst den Zeitpunkt nahen, wo du dich rational mit dem Geschehen auseinandersetzen musst.

Vielleicht gehörst du aber auch zu den Menschen, bei denen diese Wanderschaft in den Kopf gar nicht stattfindet. Die Angelegenheit wird auf der Gefühlsebene abgehandelt, Entscheidungen werden nicht nach Abwägen von tausend mehr oder weniger rationalen Argumenten getroffen, sondern aus dem Bauch heraus. Viele schwören auf diese Art und Weise, Entscheidungen zu treffen.

Ideal wäre eine Teamarbeit zwischen Kopf und Herz beim Treffen von Entscheidungen. Wenn du diesen Artikel liest, dann besteht immerhin nicht mehr die Gefahr einer überstürzten Entscheidung. Du hast nicht in einem plötzlichen Impuls die Scheidung eingereicht, wenn du verheiratet bist. Du überdenkst jetzt deine Möglichkeiten und ziehst die virtuelle Welt zu Rate. Meiner Erfahrung nach ist das nicht die schlechteste Idee. Denn jetzt gibt es viele Optionen, und wie soll man die richtige wählen? Und vielleicht wäre eine Option die beste, auf die man selbst gar nicht gekommen wäre? 

Um Schwarmintelligenz zu nützen, braucht man erst mal einen Schwarm. Aber woher nehmen? Nicht jede hat ausreichend Freundinnen zur Hand, die in der dieser Lage helfen können. Und wie kann diese Hilfe überhaupt aussehen? Einfach nur zuhören, zustimmen oder eigene Vorschläge bringen? Die meisten Menschen bewerten Ereignisse aufgrund der eigenen Erfahrungen. So funktioniert unser Hirn. Das Internet ist ein guter Ort um einen ausreichend großen Schwarm mit bestimmten Erlebnissen zu finden. Hier kann man seine eigenen Erlebnisse z.B. in Foren oder Blogs auch kund tun, ohne seine Identität preisgeben zu müssen. Und auch die entscheidende Frage in dieser Lebenslage stellen: Muss eine Affäre zwangsläufig zum Ende einer Ehe führen? Meine persönliche Antwort auf diese Frage ist wie so oft: JEIN. Oder auch nicht viel konkreter: es kommt darauf an. Aber worauf kommt es an?

Zuallererst würde ich versuchen, das Ausmass, den „Schweregrad“, oder einfach die Beschaffenheit der Affäre zu ergründen. Für einen einmaligen Ausrutscher lohnt es sich wohl nicht, eine Ehe zu „opfern“. Wobei man den Begriff Affäre eher für längerfristige Angelegenheiten zu verwenden pflegt. Trotzdem kann auch die Verarbeitung eines einmaligen Seitensprunges sehr schmerzhaft sein. Die Dauer einer Parallelbeziehung sagt auch nicht unbedingt etwas über deren Intensität aus und ihre Bedeutung für den Fremdgehenden. Ideal wäre es, diese Parameter in ruhigen Gesprächen zu erkunden, aber wer ist dazu in solch einem Gefühlsaufruhr schon in der Lage? Ich war es ganz bestimmt nicht, wie du in meinem Memoir „Trennung al dente“ nachlesen kannst. Was ich hier schreibe entspringt also meiner heutigen Sicht mit über zehn Jahren Abstand.

Falls du es geschafft hast, deine Wut und deinen Schmerz zu zähmen und ein vernünftiges Gespräch mit deinem Partner zu führen, bist du jetzt vielleicht ein wenig schlauer über das Wesen der Affäre. Ein gutes Gespräch über dieses Thema führt zwangsläufig auch zu den Wurzeln und Hintergründen. Und erst auf dieser Basis kannst du fundiert entscheiden, ob du die Ehe fortführen möchtest oder auch nicht. Wie das Gespräch verläuft, kann auch viel über die Beziehung aussagen. Landet man sofort bei Schuldzuweisungen? Dem Fremdgehenden alle Schuld aufzuladen, mag eine nahe liegende Reaktion auf die schmerzvollen Umstände zu sein. Sie ist aber weder wirklich hilfreich, sondern in manchen Fällen auch nicht ganz richtig. Manchmal liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Aber wer will bewerten, welches Vergehen gegen die Beziehung schwerer wiegt als die andere? Wiegt Vernachlässigung 100 Kilo und Fremdgehen 200 Kilo? Hier können vertrauensvolle Gespräche über die Beziehung helfen, zu den tiefsten Wünschen und Sehnsüchten der Partner vorzudringen. Und zu den Verletzungen, weil sie vielleicht nicht erfüllt wurden. Daraus kann viel Neues entstehen, auch wenn der Prozess schmerzhaft und langwierig sein mag.

Wie wir solche Entscheidungen treffen, wird immer auch vom gesellschaftlichen Kontext beeinflusst. Eine von ihrem Mann finanziell abhängige Frau hätte gar nicht die Möglichkeit einer Trennung gehabt, auch wenn sie es gewollt hätte. Heute hat sich das zum Teil ins Gegenteil verkehrt. Von wirtschaftlich unabhängigen Frauen wird manchmal fast eine Trennung erwartet. „Das kannst du dir doch nicht gefallen lassen“, „Der hat dich doch gar nicht verdient“. Gesellschaftlichen Druck kann es also aus beiden Richtungen geben. Eine so fundamentale Entscheidung für das eigene Leben kann man aber nur für sich alleine treffen. Schließlich muss man auch alleine die Konsequenzen dafür tragen und manche Entscheidungen lassen sich nicht rückgängig machen. Natürlich ist es hilfreich, sich mit Freunden auszutauschen. Allein schon deshalb, weil manche Dinge einem erst durch Aussprechen bewusst werden. Das erhellende Aussprechen kann auch durch Aufschreiben ersetzt oder noch besser ergänzt werden. Journaling, Morgenseiten, Tagebuch, egal wie man es bezeichnet, alles kann helfen. 

Da ich das alles erlebt habe, kann ich dazu sagen, was ich aus heutiger Sicht – mit über zehn Jahren Abstand – tun würde. Also was mein heutiges Ich meinem damaligen Ich raten würde. In erster Linie Ruhe bewahren. Nichts überstürzen. Mich nicht von den Emotionen in einen negativen Strudel hinziehen lassen. Mir aber auch keine Vorwürfe und Schuldzuweisungen des Partners anziehen, wie eine zweite, drückende Haut, die mich immer tiefer und tiefer hinunter zieht. Dass ich damals ganz anders gehandelt habe, kannst du in meinem Memoir „Trennung al dente“ einfügen nachlesen. Das Buch ist also eher eine Anleitung, wie man es nicht machen soll. Somit kann ich immerhin als schlechtes Beispiel dienen.